odetta und meine mutter

May 12, 2003, 22:27 . aus: leben

es war gegen ende der 50er jahre, meine mutter, frisch verheiratete europaeische junge frau, den krieg mit grossen verlusten samt darbender nachkriegsjahre hinter sich gebracht, tuckerte rueber (damals nur per langer schiffsreise moeglich), uebersiedelte nach new orleans und tauchte mit einer ansteckenden begeisterung in eine voellig fremde welt ein. schwer vorstellbar aus heutiger sicht wie fremd und exotisch unbekannt das alles gewesen sein muss (man stelle sich meine neugierigen, unbedarften, kulinarisch-geilen eltern auf einem kreolischen gemuesemarkt vor), besonders die kultur der schwarzen amerikaner hat meine mutter tief fasziniert. vor allem natuerlich die musik - und das waren die jahre als odetta in die musikszene platzte... und es waren vor allem die jahre der schwarzen buergerrechtsbewegung. drinnen gehts weiter.

(...) When she burst onto the folk scene in the middle fifties, Odetta was unlike anyone the music industry had ever experienced. She stood tall, imposing and proudly African. Odetta was the first prominent black woman to sport the cropped coif called an afro in the 1950s, and the style was so associated with her that it was often simply called an "odetta" in the black community. Before black was beautiful, Odetta was an African queen singing in a booming, clear voice about the sundry struggles of mankind to deal with this thing called life. She opted to carry on the grassroots bluesy folk tradition popularized by Leadbelly, Bessie Smith and later Mahalia Jackson. And she did it by recording prison work songs, blues, ballads, lullabies and spirituals which she brought to life with an emotional sincerity and impact that can't be taught in a class. (...) aus "Odetta , American Folk Singer" Bill Carpenter, Goldmine Magazine via fanpage

(...) In the New York Times Jon Peeples described the singer's performance in Merkin Concert Hall's 1989 Voices of Change series: "She strung together blues and spirituals, many of them unfamiliar. Over the steady rhythm of her guitar and her tapping foot, she sent her voice to its clear heights and its nasal depths, bringing out the field holler roots of her music." (...) aus Contemporary Musicians June 1992, Volume: 7 by Joan Goldsworthy ebenfalls via fanpage.

muttern hat eine odetta platte nach der anderen gekauft und die scheiben liefen bei uns zuhause in dauerrotation. natuerlich auch alles was an new orleans jazz zu bekommen war und dann noch blues und gospelsaenger - speziell mahalia jackson - aber odetta ja die stach heraus. wer je ihr Sometimes I Feel Like a Motherless Child Odetta-crnchd_SometimesIFeelLikeaMotherlessChild2 (audio/mpeg, 794 KB) gehoert hat, diese wahnsinnsstimme nur von ein paar gezupften saiten begleitet, wird verstehen warum. es gibt niemanden der so kraftvoll die mauern niederschmettern konnte wie sie in Joshua Fit The Battle Of Jericho Odetta-crnchd_JoshuaFitTheBattleOfJericho (audio/mpeg, 560 KB) besser hoerbare version hier: www.youtube.com. und erst durch sie wurden die alten gefaengnis,- und arbeitslieder der schwarzen wie zB "ox driver song"(!), "gallows pole", "all the pretty little horses"(!) einer breiten oeffentlichkeit bekannt, lieder die mehr einblick in alltagsqualen gaben als jedes geschichtsbuch.

meine mutter kaempft seit 2 jahren mit krebs, ist ueber 70. ob ich will oder nicht gibt es dinge ueber die ich mir langsam gedanken machen muss. sie hatte sich immer ein typisches new orleans begraebnis gewuenscht (am anfang der zeremonie jazzband trauerspielend durch die strassen, danach wird wild, ausgelassen spielend der friedhof verlassen) aber wenn das nicht geht dann auf jeden fall mit einem ihrer lieblingslieder, odetta's version des Odetta-crnchd_Battle_Hymn_of_the_Republic (audio/mpeg, 915 KB) , jenes anfeuernde symbollied damals von der schwarzen buergerrechtsbewegung wiederaufgegriffen. ja, so einen stolzen, starken abgang wuerde sie haben wollen, begleitet von einer stimme aus einer zeit die ihr so viel bedeutet.